Wie Wohnbauten künftig kühl bleiben können
Die Hitze ballert schon jetzt auf die Häuser – und es wird in den nächsten Jahren noch heißer. Wie schaffen wir es, dass es in den Wohnräumen ausreichend kühl bleibt?
Drastischer hätte sie es nicht formulieren können: Renate Hammer sprach von „Lebensbedrohenden Situationen“, die uns die drohende Erderwärmung bald in den Städten bescheren werde. „Da kann sich im Sommer niemand mehr draußen aufhalten“, sagte die geschäftsführende Gesellschafterin von Building Research & Innovation vor wenigen Wochen beim Verbandstag der Gemeinnützigen.
Nachtlüften in Wien bringt nicht mehr viel
Die Rede war vom sogenannten Szenario RCP 8.5: dem Anstieg der Außentemperatur, der uns droht, wenn nicht genug gegen den Klimawandel unternommen wird, sondern grosso modo alles so bleibt, wie es ist („Business-as-usual-Szenario“). Dann ist es in einer Hitzewelle weder im Osten noch im Westen des Landes noch „lebbar“, denn dann hat es mehrere Tage lang über 45 Grad in der dichten Stadt; in Innsbruck, wo es schon jetzt im Mittel wärmer ist als in Wien, wird das noch schlimmer als in der Bundeshauptstadt.
Dabei bedeute alles über 35 Grad schon jetzt eine „starke thermophysiologische Beanspruchung“, sagte Hammer. In Wien wird es wohl 2050 im Sommer regelmäßig so heiß sein, dass man nachts nicht mehr ausreichend lüften kann. Erholung sei nur bis 23 Grad möglich, „wir werden dann aber oft 24 bis 26 Grad haben in der Nacht“, erklärt Hammer. Und das werde man auch nicht mehr verhindern können. Interessanterweise gibt es dabei einen relevanten Unterschied zwischen Wien und Innsbruck. Die beiden Städte hat Hammer in ihrem Vortrag verglichen. Innsbruck sei zwar am Tag jetzt schon wärmer als Wien. „In der engen Tallage fängt sich die Wärme“; damit werden spätestens im Jahr 2080 in der Tiroler Landeshauptstadt während einer Hitzewelle um 15 Uhr nachmittags, der heißesten Periode eines Tages, „viele Orte nicht mehr lebbar sein“. Bei Temperaturen jenseits der 40 Grad „kann man keinen Tourismus mehr betreiben, da kann sich draußen keiner mehr aufhalten, die Kinder können nicht spielen, die Alten nicht einkaufen. Es ist eine lebensbedrohende Situation.“ In der Nacht aber werde es in Innsbruck auch künftig noch so stark abkühlen, dass man noch lüften wird können.
Klimaanlage sticht Sonnenschutz aus
Und dennoch: Tritt das Szenario RCP 8.5 ein, „dann werden wir bald sämtliche Gebäude kühlen müssen“, sagt Lutz Dorsch. Er ist Fachbereichsleiter Klima, Umwelt, Gebäude an der FH Salzburg und leitet das Forschungsprojekt „Cool Buildings“, an dem u. a. auch die Donau-Uni Krems beteiligt ist. Den drohenden Hitzewellen sei am besten mit passiver Kühlung zu begegnen, sagt er. „Es gibt aber nicht die eine Lösung“, beeilt er sich hinzuzufügen.
Ein Sonnenschutz sei einerseits natürlich hervorragend geeignet, um die Wärme erst gar nicht ins Haus zu lassen. Andererseits sei dieser – jedenfalls derzeit – eigentlich nur wenige Wochen im Sommer nötig, und deshalb werde von Bauträgern oft noch versucht, sich diese Kosten zu ersparen. Klimaanlagen hingegen sind zumindest im gehobenen Segment bei Neubauten durchaus üblich. Dabei sorgen genau sie Dorschs Erfahrung nach oft dafür, dass dann ein vorhandener Sonnenschutz untertags erst gar nicht runtergefahren wird. „Man schaltet am Abend ja eh die Kühlung ein, wozu also untertags beschatten?“ Doch das sei natürlich eine energiefressende Variante: Erst kommt die Wärme ins Haus, dann benötigt man viel Energie, um sie wieder rauszubekommen.
Energiebedarf gering halten
Dabei gehe es eigentlich darum, möglichst wenig Bedarf an Energie zu schaffen, „damit wir das, was wir brauchen, mit den Erneuerbaren schaffen können“. Gerade an Solarstrom werde es künftig auch weiterhin kein Überangebot geben, ist Dorsch überzeugt; „wir wollen bald ja auch alle unsere Autos damit laden“. Strom, nämlich für eine Umwälzpumpe, braucht man auch dann, wenn man beispielsweise auf Kühlung per Bauteilaktivierung setzt. Grundsätzlich ist auch das eine gute Idee, die sich aber im Westen Österreichs noch nicht so verbreitet habe wie im Osten, sagt Dorsch. „An sich ist das natürlich auch eine Form der aktiven Kühlung“, insbesondere dann, wenn man im Sommer Wärme ins Erdreich einträgt, um sie im Winter wieder entnehmen zu können.
Tageslicht ist wichtig
Doch wie heiß darf es in einem Wohnraum eigentlich werden, und wie lange darf ein Mensch dieser Belastung ausgesetzt sein? Diese Fragen des Gesundheitsschutzes werden Dorschs Beobachtung zufolge stiefmütterlich behandelt. „Es fehlt uns da an Zielgrößen.“ Man müsse diese Fragen zusammen mit Medizinerinnen und Medizinern erörtern, doch das fehle derzeit noch komplett, sagt Dorsch dem STANDARD. Und ebenso wichtig sei die Frage, wie viel Tageslicht der Mensch brauche.
Dass auch diesem Thema etwa im Vergleich mit Brand-, Schall- und Lärmschutzmaßnahmen wenig Stellenwert beigemessen werde, findet auch Johann Gerstmann, Sprecher des Bundesverbands Sonnenschutztechnik. Dabei wurde es mit dem vielfach geübten Homeoffice in der Pandemie sehr wichtig: Im Sommer sind die Rollos unten, um Hitze draußen zu lassen. Weil es dann aber oft zu dunkel ist im Raum, wird das Licht aufgedreht, was Energie frisst. Dabei könnten bzw. sollten sogar zumindest 15 Prozent der Sonnenenergie ins Gebäude gelangen, sagt Gerstmann. Und er empfiehlt deshalb, den Sonnenschutz untertags nie ganz zu schließen. Am besten funktioniert das mit sogenannten Markisoletten, also knickbaren Markisen, die oben beschatten, unten aber Tageslicht durchlassen.
Kühlräume in Wohnhäusern
Um das Maximum einhalten zu können, ist für Renate Hammer ein Sonnenschutz unabdingbar. „Außerdem müssen wir ambitioniert thermisch sanieren, das macht Sinn im Winter wie im Sommer.“ Und Hochtemperaturprozesse, also etwa Gasfeuerungen, müssen aus den Häusern gebracht werden. Was Fassadenbegrünungen betrifft, gebe es noch keine wirkliche Klarheit über die Wirksamkeit in Sachen Gebäudekühlung. „Da gibt es noch viel zu erforschen.“
Quelle: Standard.at, 23.06.2022
Über Mosam Real Estate
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